Bericht von Sam Nüesch, Kerngruppenmitglied im Swiss Donut Economics Network und Teammitglied bei Teil der Lösung
Was ist ein gutes Leben? Dieser
Frage ging das LifeLab 26 von Teil der Lösung nach. Mit dieser Veranstaltungsreihe beabsichtigen die Gründerin, Christel Maurer, und ihr Team, Menschen für zukunftsfähige Lebensweisen und
regenerative Wirtschaftsformen zu inspirieren. Zur Orientierung dienen dabei
Modelle wie die Donut-Ökonomie, welche darauf abzielen, bei allem Handeln die
planetaren Grenzen zu wahren und menschliches Wohlergehen zu gewährleisten.
In Partnerschaft mit dem Swiss Donut Economics Network ging es diesmal um die
vielschichtige Frage nach dem «guten Leben», über die bereits Sokrates, Platon,
Aristoteles und andere nachgedacht haben. Warum diese alte Thematik neuen
Fokus verdient, haben wir an diesem Abend eindrücklich erlebt.
«Buen vivir» heisst «gut leben»
Wie Christel Maurer bereits
eingangs erwähnte, haben wir eine gewisse Form von Erweiterung der westlichen
Vorstellung eines guten Lebens beispielsweise durch Alberto Acosta erfahren.
Dieser war massgeblich daran beteiligt, den Begriff des «buen vivir» oder «sumak
kawsay» aus südamerikanischen indigenen Traditionen des Andenraums auch im
Westen bekannt zu machen. Diese Vorstellung umfasst denn auch unsere
Lebensgrundlagen in Form von gesunden Ökosystemen und der Beziehung mit anderen
Lebensformen als Teil eines guten Lebens.
Entsprechend wurden im LifeLab Aspekte des guten Lebens aus drei Blickwinkeln betrachtet:
aus der planetaren, der gemeinschaftlichen und der individuellen Perspektive.
Gutes Leben als Balanceakt
Aus planetarer Sicht zeigte Laurène Descamps vom One Planet Lab anhand des Donut-Economics-Modells von Kate Raworth auf, dass ein gutes Leben darin besteht, die Grundbedürfnisse aller Menschen zu decken, ohne dabei die ökologischen Grenzen zu überschreiten. Theoretisch ist das möglich – praktisch hat jedoch bislang kein Land diesen Balanceakt gemeistert. Jene Staaten, die ihre Bevölkerung gut versorgen, leben weit über den planetar tragbaren Verhältnissen; jene, die innerhalb der Grenzen bleiben, schaffen es nicht, die Grundbedürfnisse aller zu decken. Klar ist: Individuelle Verhaltensänderungen reichen nicht aus, sie können gemäss Laurène’s Input höchstens 45 Prozent der nötigen Transformation leisten – realistisch eher nur etwa 20 Prozent. Es brauche deshalb einen strukturellen Wandel: neue Narrative, neue Spielregeln und eine Aktivierung der stillen Mehrheit, die eigentlich mehr Klimaschutz will. Hoffnung geben zahlreiche Initiativen, die bereits heute zeigen, dass andere Wege möglich sind.
Gutes Leben dank Gemeinschaft
Ein gutes Leben heisst zugleich, sich stärker in Gemeinschaften einzubringen, wie Fred Frohofer von Neustart Schweiz betonte. Die sogenannte Bedarfswirtschaft – Selbstversorgung in Haushalten, Care-Arbeit und gemeinnützige Tätigkeiten – machen gemäss Fred’s Quellen bereits 55 Prozent der Gesamtwirtschaft aus. Wo Menschen sich in nachbarschaftlichen Netzwerken organisieren, entstünden handfeste Vorteile: geringere Kosten, mehr Zeit, bessere soziale Vernetzung. Dennoch stehe einer breiteren Verankerung solcher Formen oft eine verbreitete «Angst vor Community» im Weg. Doch absehbare Krisen könnten diese Sorge relativieren und wie in Griechenland zu einem Aufschwung gemeinschaftlicher Strukturen führen.
Veränderung muss von innen kommen
Schliesslich richtete Cornelia Huber aus dem Impulszentrum Holdenweid den Blick auf das Individuum. Veränderung müsse von innen kommen und setze Arbeit an sich selbst voraus, ist sie überzeugt. Es gehe darum, weder in Beliebigkeit noch in Dogmen zu verfallen, sondern eine reflektierte Haltung zu entwickeln: Was bedeutet für mich ein gutes Leben – und wie erkenne ich das auch an Momenten des schlechten Gewissens? Herausfordernd sei, dass sich die Folgen unseres Handelns oft erst im Verlauf der Zeit zeigen, sei es für die Ökologie, das persönliche Leben oder das soziale Umfeld.
Niederschwellige Möglichkeiten für ein gutes Leben im Donut
So ergab sich im LifeLab ein vielschichtiges
Bild. Gutes Leben braucht planetare Verantwortung, gemeinschaftliche Strukturen
und individuelle Reflexion – und vor allem das Zusammenspiel dieser drei Ebenen.
Was ist mein Zugang, um uns in den Donut zu bringen? fragten sich die
Teilnehmenden. Aus den Gesprächen in kleineren Runden kam unter anderem zum
Ausdruck, dass viele niederschwellige Möglichkeiten suchen, sich für eine
nachhaltige und faire Gesellschaft einzusetzen. Also sich mehr im Quartier oder in
der Gemeinschaft einbringen - in einem Gartenprojekt dort, wo man lebt, mit einem
Abo bei einer Solawi, Nachbarschaftshilfe leisten, in Quartier-Chats Werkzeuge,
Velos und vieles mehr tauschen. Solche Möglichkeiten können einfache
Gelegenheiten sein, sich zu vernetzen, sich einzubringen und damit gleichzeitig
auch das eigene Leben reichhaltiger zu machen.
Photo : Teil der Lösung