Eine wachsende Gruppe von Unternehmensexpert:innen möchte die Wirtschaft mit den Prinzipien von Doughnut Economics in Einklang bringen. Sie glauben jedoch, damit allein zu sein. Das stimmt nicht – und verhindert ihren Einsatz für den Wandel.
Für eine
Studie gaben über 400 Fach- und Führungskräfte in Grossbritannien Auskunft zur
Frage «What’s
holding back post-growth business?». Der Bericht wird aktuell
wissenschaftlich validiert. Zentrale Erkenntnisse sind
bereits publiziert:
- 86 % der befragten Business-Fachleute befürworten postwachstumsorientierte Unternehmensprinzipien. Sie glauben jedoch, dass nur 53 % ihrer Kolleg:innen dies ebenfalls tun.
- Über 90 % finden, Unternehmen sollten nach den Prinzipien der Donut-Ökonomie agieren.
- 80 % empfinden es allerdings
als Herausforderung, die Wirtschaft stärker für die Lösung ökologischer
Probleme einzubinden.
Die Mehrheit
denkt, sie sei in der Minderheit
Businessfachleute unterschätzen gemäss der Studie drastisch, wie viele
Kolleg:innen nachhaltiges Wirtschaften grundsätzlich unterstützen. Diese
Fehleinschätzung führt zum Eindruck, allein zu sein mit den eigenen
Überzeugungen. Dies blockiert Veränderungen, denn wer sich in der Minderheit
wähnt, schweigt und bleibt untätig – wie alle anderen auch.
Betroffen seien
Unternehmen aller Grössen und Verantwortliche auf allen Ebenen, stellen die
Autor:innen fest. Sie folgern, dass enorme Kräfte für die Transformation
freigesetzt werden könnten, wenn die tatsächliche Zustimmung sichtbarer gemacht
würde.
Strukturelle Gewinnorientierung blockiert den Wandel
Während die
Mehrheit der befragten Wirtschafts- und Unternehmensfachleute klar hinter
nachhaltigen Prinzipien steht, erzeugt die strukturelle Gewinnorientierung
gemäss der Studie jedoch ein System, das Postwachstumsansätze trotz breiter
Unterstützung blockiert. Dazu gehören etwa
- der finanzielle Druck durch Anteilseigner und besonders der Rechtfertigungsdruck gegenüber kurzfristig denkenden Investor:innen
- Infrastrukturen, Lieferketten und regulatorische Rahmen, die auf Wachstum ausgelegt sind
- Wettbewerbsangst bzw. der Wettbewerb mit kostenfokussierten Konkurrent:innen
- Kämpfen mit Zeitdruck und Ressourcenmangel in aktuellen Krisenzeiten
- weit verbreitete Veränderungsresistenz in Unternehmenskulturen
- Wissenslücken
Bereits
überzeugte Akteur:innen brauchen Unterstützung
Die Herausforderung liege also weniger im Überzeugen als im Schaffen sicherer
und praktischer Räume für überzeugte Akteur:innen, stellt die Studie fest.
Unternehmensverantwortlichen wird empfohlen, interne Umfragen durchzuführen, um
die wahren Zustimmungswerte zu erfassen. Ausserdem könnten etwa mit informellen
Lernformaten neue Modelle und eine werteorientierte Unternehmensausrichtung im
Team thematisiert werden. Geschützte Innovationsräume könnten zudem beitragen,
mit kleinen, realisierbaren Veränderungen zu starten und neue Modelle
auszuprobieren.
Medienverantwortliche und Journalist:innen fordert der Bericht dazu auf,
Unternehmen, die Postwachstumsansätze bereits erfolgreich umsetzen, als
Vorreiter vorzustellen, um damit andere zu ermutigen.
Die Politik soll
gleichzeitig steuerliche Anreize und eine Beschaffungspolitik zugunsten
postwachstumsorientierter Unternehmen schaffen.
Bildungsreform zur Förderung alternativer Wirtschafts- und Geschäftsmodelle
Weiter hält
die Studie fest, dass die formale Bildung Gewinnmaximierung als Standardziel
positioniert und Geschäftsmodelle fördert, die Profite an private Eigentümer
ausschütten statt sie für ökologische oder soziale Ziele einzusetzen.
Ökonomische Studiengänge fokussieren mehrheitlich auf wachstumsorientierte
Modelle. Damit werden Fach- und Führungskräfte gemäss den Studienautor:innen
nicht ausreichend auf die Realität im 21. Jahrhundert vorbereitet. Ohne Reform
blieben der notwendige unternehmerische Wandel, innovative Führungsansätze und
kollektive Veränderungspotenziale zu wenig wirksam.
Die Studie legt nahe, dass Curricula überarbeitet, und Ansätze wie ökologische
Ökonomik und systemisches Denken integriert werden müssen.
Unternehmen sollen
ausserdem Partnerschaften mit Hochschulen eingehen, um praxisnahe und
wachstumskritische Kurse zu entwickeln. Und die Politik soll dafür sorgen, dass
Bildungsreformen finanziell gefördert, und alternative Wirtschaftsmodelle dabei
gestärkt werden.
Gemeinschaftsorientierte und nicht-extraktive Wirtschaft als historische Norm
Die Studie kombiniert zwei Frameworks, um das Zusammenspiel
individueller Handlungsbereitschaft und systemischer Veränderung in der
Wirtschaft zu analysieren.Graphik 1
Graphik 2
Das Bedürfnis nach
einer Wirtschaft, die – ganz im Sinn von Doughnut Economics - im Einklang mit
der Umwelt die sozialen Grundbedürfnisse der Menschen befriedigt, sei keine
radikale Idee, betonen die Studienautor:innen. Vielmehr entspreche sie einer
Art des Wirtschaftens, wie sie in den meisten menschlichen Gesellschaften über
Jahrhunderte erfolgreich war. Gemeinschaftsorientierte und nicht-extraktive
ökonomische Prinzipien seien vor der Industrialisierung die Norm gewesen, und
viele indigene Gemeinschaften demonstrieren ihre Wirksamkeit bis heute.
Mit der
Studie möchten die Autor:innen zum Nachdenken anregen und ermutigen: «Ihr seid
nicht allein!»
Von der theoretischen Zustimmung
zum aktiven Einsatz – meine Takeaways
Nicht nur die hohe Zustimmung zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise
bewegt mich an dieser Studie, sondern auch die Erkenntnis, wie sehr wir uns
gegenseitig unterschätzen! Die Studie zeigt auf, dass eine stille Mehrheit in
der Wirtschaft und in Unternehmen sich ein anderes Handeln wünscht: weg vom
Wachstumsdogma, hin zu einem Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen, und
mit gesellschaftlichem Wert für alle. Das finde ich ermutigend!
Gleichzeitig frage ich mich, wieviele der 86% der befragten Business-Fachleute,
die einen Wandel hin zu einer Postwachstums-Wirtschaft begrüssen, auch
tatsächlich bereit wären, selbst mitanzupacken und sich im eigenen Kontext
aktiv für Veränderungen einzusetzen? Welcher Anteil würde dabei ausschliesslich
auf technische Lösungen setzen? Welche Anzahl wäre darüber hinaus für weitere
notwendige Massnahmen – etwa richtung Suffizienz - zu gewinnen? Und wie würde
das Ergebnis in der Schweiz aussehen?
Auf Anschluss-Studien zu diesen Fragen
bin ich gespannt – oder gibt es dazu bereits Erhebungen? Bitte gerne melden!
Doughnut Economics: das Zielbild in die Praxis bringen
Wer sich bereits heute beim eigenen Unternehmen, Arbeitgeber, Verband oder im
Bildungsbereich für (mehr) ökologische Nachhaltigkeit und gleichzeitig sozial
verantwortungsvolleres Verhalten engagieren möchte, findet auf der Website des
internationalen Doughnut Economics Action Lab DEAL
zahlreiche nützliche Ressourcen, Arbeitshilfen und
inspirierende Praxisbeispiele .
Quellen:
Jeni Miles, Dario Krpan, Fred Basso: The Hidden Business Majority – From
private support to post-growth transformation, The London School of Economics
and Political Science and The Wholeloop Labs, June 2025
Based on the Report «What’s holding back post-growth business? A 2025 Survey of Business
Professionals on Doughnut Economics and Barriers to post-growth business
transformation ». Presently under peer review.
Graphik 1:
Hinton, J. (2021). Five
key dimensions of post-growth business: Putting the pieces together. Futures : The Journal of Policy, Planning and FuturesStudies, 131.
Graphik 2:
Michie, S., van
Stralen, M. M., & West, R. (2011). The behaviour change wheel: A new method
for characterising and designing behaviour change interventions. Implementation
Science : IS, 6(1), 42–42. DOI:10.1186/1748- 5908-6-42