"Ihr seid nicht allein" - die verborgene Business Mehrheit

11. August 2025 durch
"Ihr seid nicht allein" - die verborgene Business Mehrheit
Swiss Donut Economics Network, Karin Mader

Eine wachsende Gruppe von Unternehmensexpert:innen möchte die Wirtschaft mit den Prinzipien von Doughnut Economics in Einklang bringen. Sie glauben jedoch, damit allein zu sein. Das stimmt nicht – und verhindert ihren Einsatz für den Wandel.


Für eine Studie gaben über 400 Fach- und Führungskräfte in Grossbritannien Auskunft zur Frage «What’s holding back post-growth business?». Der Bericht wird aktuell wissenschaftlich validiert. Zentrale Erkenntnisse sind bereits publiziert:

  • 86 % der befragten Business-Fachleute befürworten postwachstumsorientierte Unternehmensprinzipien. Sie glauben jedoch, dass nur 53 % ihrer Kolleg:innen dies ebenfalls tun.
  • Über 90 % finden, Unternehmen sollten nach den Prinzipien der Donut-Ökonomie agieren.
  • 80 % empfinden es allerdings als Herausforderung, die Wirtschaft stärker für die Lösung ökologischer Probleme einzubinden.

Die Mehrheit denkt, sie sei in der Minderheit

Businessfachleute unterschätzen gemäss der Studie drastisch, wie viele Kolleg:innen nachhaltiges Wirtschaften grundsätzlich unterstützen. Diese Fehleinschätzung führt zum Eindruck, allein zu sein mit den eigenen Überzeugungen. Dies blockiert Veränderungen, denn wer sich in der Minderheit wähnt, schweigt und bleibt untätig – wie alle anderen auch. 
Betroffen seien Unternehmen aller Grössen und Verantwortliche auf allen Ebenen, stellen die Autor:innen fest. Sie folgern, dass enorme Kräfte für die Transformation freigesetzt werden könnten, wenn die tatsächliche Zustimmung sichtbarer gemacht würde.

Strukturelle Gewinnorientierung blockiert den Wandel

Während die Mehrheit der befragten Wirtschafts- und Unternehmensfachleute klar hinter nachhaltigen Prinzipien steht, erzeugt die strukturelle Gewinnorientierung gemäss der Studie jedoch ein System, das Postwachstumsansätze trotz breiter Unterstützung blockiert. Dazu gehören etwa

  • der finanzielle Druck durch Anteilseigner und besonders der Rechtfertigungsdruck gegenüber kurzfristig denkenden Investor:innen
  • Infrastrukturen, Lieferketten und regulatorische Rahmen, die auf Wachstum ausgelegt sind
  • Wettbewerbsangst bzw. der Wettbewerb mit kostenfokussierten Konkurrent:innen
  • Kämpfen mit Zeitdruck und Ressourcenmangel in aktuellen Krisenzeiten
  • weit verbreitete Veränderungsresistenz in Unternehmenskulturen
  • Wissenslücken

Bereits überzeugte Akteur:innen brauchen Unterstützung

Die Herausforderung liege also weniger im Überzeugen als im Schaffen sicherer und praktischer Räume für überzeugte Akteur:innen, stellt die Studie fest. 
Unternehmensverantwortlichen wird empfohlen, interne Umfragen durchzuführen, um die wahren Zustimmungswerte zu erfassen. Ausserdem könnten etwa mit informellen Lernformaten neue Modelle und eine werteorientierte Unternehmensausrichtung im Team thematisiert werden. Geschützte Innovationsräume könnten zudem beitragen, mit kleinen, realisierbaren Veränderungen zu starten und neue Modelle auszuprobieren.
Medienverantwortliche und Journalist:innen fordert der Bericht dazu auf, Unternehmen, die Postwachstumsansätze bereits erfolgreich umsetzen, als Vorreiter vorzustellen, um damit andere zu ermutigen. 
Die Politik soll gleichzeitig steuerliche Anreize und eine Beschaffungspolitik zugunsten postwachstumsorientierter Unternehmen schaffen.

Bildungsreform zur Förderung alternativer Wirtschafts- und Geschäftsmodelle

Weiter hält die Studie fest, dass die formale Bildung Gewinnmaximierung als Standardziel positioniert und Geschäftsmodelle fördert, die Profite an private Eigentümer ausschütten statt sie für ökologische oder soziale Ziele einzusetzen. Ökonomische Studiengänge fokussieren mehrheitlich auf wachstumsorientierte Modelle. Damit werden Fach- und Führungskräfte gemäss den Studienautor:innen nicht ausreichend auf die Realität im 21. Jahrhundert vorbereitet. Ohne Reform blieben der notwendige unternehmerische Wandel, innovative Führungsansätze und kollektive Veränderungspotenziale zu wenig wirksam.
Die Studie legt nahe, dass Curricula überarbeitet, und Ansätze wie ökologische Ökonomik und systemisches Denken integriert werden müssen. 
Unternehmen sollen ausserdem Partnerschaften mit Hochschulen eingehen, um praxisnahe und wachstumskritische Kurse zu entwickeln. Und die Politik soll dafür sorgen, dass Bildungsreformen finanziell gefördert, und alternative Wirtschaftsmodelle dabei gestärkt werden.

Gemeinschaftsorientierte und nicht-extraktive Wirtschaft als historische Norm

Die Studie kombiniert zwei Frameworks, um das Zusammenspiel individueller Handlungsbereitschaft und systemischer Veränderung in der Wirtschaft zu analysieren.

Graphik 1


Graphik 2

Das Bedürfnis nach einer Wirtschaft, die – ganz im Sinn von Doughnut Economics - im Einklang mit der Umwelt die sozialen Grundbedürfnisse der Menschen befriedigt, sei keine radikale Idee, betonen die Studienautor:innen. Vielmehr entspreche sie einer Art des Wirtschaftens, wie sie in den meisten menschlichen Gesellschaften über Jahrhunderte erfolgreich war. Gemeinschaftsorientierte und nicht-extraktive ökonomische Prinzipien seien vor der Industrialisierung die Norm gewesen, und viele indigene Gemeinschaften demonstrieren ihre Wirksamkeit bis heute. 
Mit der Studie möchten die Autor:innen zum Nachdenken anregen und ermutigen: «Ihr seid nicht allein!»

Von der theoretischen Zustimmung zum aktiven Einsatz – meine Takeaways

Nicht nur die hohe Zustimmung zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise bewegt mich an dieser Studie, sondern auch die Erkenntnis, wie sehr wir uns gegenseitig unterschätzen! Die Studie zeigt auf, dass eine stille Mehrheit in der Wirtschaft und in Unternehmen sich ein anderes Handeln wünscht: weg vom Wachstumsdogma, hin zu einem Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen, und mit gesellschaftlichem Wert für alle. Das finde ich ermutigend!
Gleichzeitig frage ich mich, wieviele der 86% der befragten Business-Fachleute, die einen Wandel hin zu einer Postwachstums-Wirtschaft begrüssen, auch tatsächlich bereit wären, selbst mitanzupacken und sich im eigenen Kontext aktiv für Veränderungen einzusetzen? Welcher Anteil würde dabei ausschliesslich auf technische Lösungen setzen? Welche Anzahl wäre darüber hinaus für weitere notwendige Massnahmen – etwa richtung Suffizienz - zu gewinnen? Und wie würde das Ergebnis in der Schweiz aussehen? 
Auf Anschluss-Studien zu diesen Fragen bin ich gespannt – oder gibt es dazu bereits Erhebungen? Bitte gerne melden!

Doughnut Economics: das Zielbild in die Praxis bringen

Wer sich bereits heute beim eigenen Unternehmen, Arbeitgeber, Verband oder im Bildungsbereich für (mehr) ökologische Nachhaltigkeit und gleichzeitig sozial verantwortungsvolleres Verhalten engagieren möchte, findet auf der Website des internationalen Doughnut Economics Action Lab DEAL zahlreiche nützliche Ressourcen, Arbeitshilfen und inspirierende Praxisbeispiele .      


Quellen:
 
Jeni Miles, Dario Krpan, Fred Basso: The Hidden Business Majority – From private support to post-growth transformation, The London School of Economics and Political Science and The Wholeloop Labs, June 2025  

Based on the Report «What’s holding back post-growth business? A 2025 Survey of Business Professionals on Doughnut Economics and Barriers to post-growth business transformation ». Presently under peer review.

Graphik 1: 
Hinton, J. (2021). Five key dimensions of post-growth business: Putting the pieces together. Futures : The Journal of Policy, Planning and FuturesStudies, 131.

Graphik 2: 
Michie, S., van Stralen, M. M., & West, R. (2011). The behaviour change wheel: A new method for characterising and designing behaviour change interventions. Implementation Science : IS, 6(1), 42–42. DOI:10.1186/1748- 5908-6-42