Unsere Co-Präsidentin, Karin Mader, im Gespräch mit Bryony Jansen-van Tuyll, Autorin einer Fallstudie über die Alternative Bank Schweiz, veröffentlicht vom Doughnut Economics Action Lab im März 2025
- Hallo Bryony, kannst du uns erklären, was das ist - eine Unternehmens-Fallstudie auf der Basis des Donuts? Und wozu das dient?
Seit das Buch „Die Donut-Ökonomie“ erschienen
ist, haben sich Menschen gefragt, wie sie das Donut-Modell in Unternehmen
einsetzen könnten. Kate Raworth und das Team vom Doughnut Economics Action Lab
wollten auf keinen Fall, dass Unternehmen sich mit dem Donut schmücken und sich etwa als „Donut-Unternehmen“ bezeichnen.
Vor einigen Jahren haben nun Kate Raworth und
ihr Team, inspiriert durch die Arbeit von Marjorie Kelly und ihr Buch "Owning
our Future", einen Rahmen entworfen, den Unternehmen nutzen können. Die
Hauptidee ist, dass wir für eine Wirtschaft, die innerhalb der Donut-Grenzen
funktioniert, Unternehmen brauchen, die dazu beitragen, die sozialen und
ökologischen Ziele zu erreichen. Heutzutage haben jedoch viele - vor allem
grosse – Unternehmen Gewinnmaximierung als Hauptziel, sowie eine Eigentums- und
Führungsstruktur, die sie dazu zwingt, den Profit über alles zu priorisieren.
Für diese Unternehmen ist es folglich schwierig, soziale oder ökologische Ziele
zu verfolgen.
Finanziellen Gewinn abschöpfen oder gesellschaftlichen Mehrwert schaffen?
Quelle: DEAL
Fünf Hauptsäulen prägen die strategischen
Entscheidungen eines Unternehmens und seine Auswirkungen: der Zweck, bzw. das Ziel des Unternehmens, seine
Netzwerke, die Unternehmensführung, sowie das Eigentums- und
Finanzierungsmodell. Diese fünf Säulen bestimmen, ob das Unternehmen
dazu beitragen kann, eine regenerative und distributive Wirtschaft im Sinne der
Donut-Ökonomie zu schaffen.
Um dieses Konzept besser erklären zu können,
hat das Team vom Doughnut Economics Action Lab vorbildliche Unternehmen rund um
die Welt untersucht: Unternehmen, die so gestaltet sind, dass sie
nicht-finanzielle Ziele verfolgen können. Die Fallstudien zeigen entsprechende
Möglichkeiten auf und sollen Unternehmer:innen wie auch die breite
Öffentlichkeit inspirieren.
- Warum hast du gerade die ABS für deine Untersuchung ausgewählt?
Der Finanzsektor spielt in der Wirtschaft eine zentrale Rolle – ganz besonders in der Schweiz. Wir haben uns dafür entschieden, die Alternative Bank Schweiz (ABS) zu untersuchen, weil viele Menschen grundsätzlich bezweifeln, dass Banken soziale oder ökologische Ziele priorisieren können, denn « das Geschäftsmodell lässt das einfach nicht zu », wie viele meinen. Die ABS beweist jedoch, dass auch eine Schweizer Bank ein alternatives Modell aufbauen, und in eine andere Richtung gehen kann.
- Wie unterscheidet sich die ABS denn von anderen Schweizer Banken?
Die ABS
wurde mit der Idee ins Leben gerufen, nachhaltige Projekte in der
Realwirtschaft zu unterstützen, z. B. sozialen Wohnungsbau oder Projekte der
biologischen Landwirtschaft. Die Bank engagiert sich nicht im
Investmentbanking-Sektor mit Marktspekulationen, Hedgefonds oder Private
Equity, welche unsere Gesellschaften destabilisieren und Ungleichheiten
vergrössern. Die ABS vergibt Kredite zu günstigen Bedingungen an nachhaltige Projekte,
damit diese gedeihen können. So gingen im Jahr 2023 87% der Kredite an Projekte, die einer
breiten Bevölkerung zugute kommen.
Die Bank
verfolgt ausserdem eine Philosophie der Transparenz, die anderen Schweizer
Banken weit überlegen ist.
- Welche zentralen Erkenntnisse hast du über die ABS gewonnen im Zusammenhang mit dem Donut?
Die ABS wurde 1990 gegründet, mehr als zwei Jahrzehnte bevor das Konzept der Donut-Ökonomie entstand. Das heisst, sie wurde nicht auf den oben erwähnten Säulen aufgebaut. Als ich die ABS jedoch mit den fünf Säulen – also Unternehmensziel, Netzwerk, Unternehmensführung, Eigentum und Finanzierung – in Verbindung setzte, wurde mir klar, dass sie wirklich vollständig darauf ausgerichtet ist, zu einer gesünderen und gleichberechtigteren Gesellschaft beizutragen: Das soziale Ziel ist klar. Das Governance-Modell ist transparent und ermöglicht es dem Unternehmen, seine Ziele zu verfolgen. Die Aktionär:innen haben gleichberechtigte Stimmrechte und nur begrenzte Befugnisse, die Richtung des Unternehmens zu ändern. Das Finanzmodell zielt auf gesunde Finanzen für Kund:innen, Mitarbeitende und Aktionär:innen und gleichzeitig auf den langfristigen Fortbestand des Unternehmens. Und schließlich beteiligt sich die ABS an Netzwerken, um partnerschaftlich mit gleichgesinnten Organisationen und Unternehmen zusammenzuarbeiten.
- Was ist das Überraschendste, das du im Zusammenhang mit dem Donut bei der ABS herausgefunden hast?
Ich war besonders davon beeindruckt, dass in den Governance-Dokumenten - inklusive in den Statuten - schwarz auf weiss steht, dass „die Bank nicht mit dem Ziel der Gewinnmaximierung arbeitet“. Diese Dokumente sind keine Werbeflyer, sondern rechtlich bindend! Sie haben daher Auswirkungen auf strategische Entscheidungen und konkrete Massnahmen zugunsten der Gesellschaft und der Umwelt.
- Welche Herausforderungen hast du bei der ABS in Bezug auf den Donut gesehen?
Es ist nicht immer einfach für Unternehmen
mit sozialen und umweltbezogenen Zielen, in einem Markt zu bestehen, der auf
finanzielle Ziele ausgerichtet ist. Viele Kund:innen berücksichtigen die
Dienstleistungen der ABS nicht, weil sie in erster Linie ihr Einkommen
maximieren wollen. Wegen der Entscheidung, hauptsächlich in der Realwirtschaft
zu arbeiten, ist die ABS zudem manchmal weniger flexibel als andere Banken.
Dennoch hat sich die ABS in ihrer über
30-jährigen Geschichte bewährt. Ihre Aktionär:innen und Kund:innen wollen,
dass ihr Geld Gutes in der Welt bewirkt. Dafür sind sie der Bank vielmals auch besonders
treu.
- Was müsste sich deiner Ansicht nach in der Schweiz ändern, damit mehr Finanzinstitute wie die ABS entstehen und gedeihen können?
Um diese Fallstudie zu schreiben, musste ich
in die Welt der Banken eintauchen, ich betrachte mich jedoch nicht als
Expertin in diesem Bereich. Dennoch wage ich zu hoffen, dass die ABS wachsen
kann und dass gleichzeitig weitere sozial orientierte Banken entstehen werden –
nicht zuletzt, um die Normen in Richtung Transparenz zu verschieben.
Ich halte es ausserdem für wichtig, dass wir
über die Rolle des Geldes und der Finanzinstitute in unserer Gesellschaft
sprechen. Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass sie mit der Wahl ihrer
Bank die Möglichkeit haben, die Wirtschaft zu beeinflussen und zu ihrer
qualitativen Verbesserung beizutragen.
- Herzlichen Dank für das Interview!
Zur Studie geht es hier.
Und hier zu Bryony’s Profil auf Linkedin.
Foto: Screenshot während der Präsentation der aktuellen Fallstudien durch DEAL am 15. März 2025