Der Donut als Konzept leuchtet vielen ein: Das Ziel einer zukunftsfähigen Gesellschaft muss es sein, ein gutes Leben für alle innerhalb der planetaren Grenzen zu ermöglichen. Doch: ist das überhaupt machbar? Eine aktuelle Studie von Wissenschaftler:innen der EMPA und der Technischen Universität Braunschweig hat den Versuch unternommen, genau dies herauszufinden. Was dabei herausgekommen ist, erfährst du hier.
Eine persönliche Einschätzung von Corinne Grässle, Co-Präsidentin des Swiss Donut Economics Network.
Hauke Schlesier und Harald Design von der EMPA und Malte Schäfer von der Technischen Universität Braunschweig haben in einer im April 2024 veröffentlichen Studie namens „Measuring the Doughnut: A good life for all is possible within planetary boundaries“ den Versuch unternommen, die Rahmenbedingungen des Donuts auf globalem Level zu quantifizieren: Was brauchen wir global an Ressourcen, um ein gutes Leben für alle sicherzustellen und wieviel dürfen wir höchstens verbrauchen, ohne die planetaren Grenzen zu sprengen? Der „safe and just space for humanity“ - der eigentliche Donut - zwischen diesen beiden Grenzen existiert in der Realität nur dann, wenn die Summe der minimal benötigten Ressourcen kleiner ist als die maximal verfügbaren. In anderen Worten dann, wenn es tatsächlich möglich ist, ein gutes Leben für alle sicherzustellen, mit den Ressourcen, die uns innerhalb der planetaren Grenzen zur Verfügung stehen.
Was haben die Forschenden herausgefunden? Die kurze Antwort: Laut ihrer Studie gibt es den „safe and just space for humanity“ durchaus - aber um ihn zu erreichen, braucht es einiges an Veränderung.
Die etwas längere Antwort: In der Studie wird anhand verschiedener Szenarien untersucht, ob es möglich ist, die Grundbedürfnisse aller Menschen innerhalb der planetaren Grenzen zu decken. Die Szenarien unterscheiden sich beispielsweise in Bezug auf das Bevölkerungswachstum, die Art der Energieversorgung oder des Bauens. Die Resultate dieser Szenarien zeigen: je nach Ausgestaltung der Bedingungen ist es möglich, die Grundbedürfnisse aller innerhalb der planetaren Grenzen zu decken. Dazu braucht es jedoch massive Umstellungen im Vergleich zum heutigen Lebensstil. Dazu gehören gemäss der Studie eine mehrheitlich vegane Ernährung, eine erneuerbare Energieversorgung oder vermehrtes Bauen mit natürlichen Ressourcen. Zudem muss gesagt werden, dass der in der Studie verwendete Lebensstandard im Vergleich zur hiesigen Normalität deutlich genügsamer ist.
Was heisst das nun für die Arbeit des Swiss Donut Economic Networks?
Zuerst einmal zeigt die Studie, dass ein gutes Leben für alle innerhalb der planetaren Grenzen bereits unter heutigen Voraussetzungen möglich ist und der Donut somit nicht nur als Konzept sondern auch in der Realität möglich ist. Das sind erstmal gute Nachrichten. Zu betonen ist hier auch, dass mit dieser Studie der Donut auch offiziell in der Schweizer Politik angekommen ist – der Bund widmet der Empa-Studie sogar eine eigene Medienmitteilung.
Gleichzeitig bestehen sehr grosse Unterschiede zwischen den in der Studie verwendeten Szenarien und unserem heutigen Lebensstandard in der Schweiz. Dies verdeutlicht einmal mehr, dass einiges an Transformationsarbeit nötig ist, um die Schweiz “donuttauglich” zu machen. Die Strategien hierfür sind teilweise bereits bekannt: Dekarbonisierung, Ernährungswende, Netto-Null-Bodenumwandlung, Kreislaufwirtschaft, CO2 capturing etc. Hinzukommen muss aber auch ein grundsätzliches Hinterfragen unserer unbedingten Fokussierung auf ewiges Wirtschaftswachstum als Selbstzweck. Das Swiss Donut Economics Network arbeitet darauf hin, dass wir uns in der Schweiz diesen Herausforderungen stellen und die notwendige Transformation bewusst gestalten.
Der Donut ist eher Kompass als Massband
Zum Abschluss noch eine grundsätzliche Bemerkung: Jede Auseinandersetzung mit dem Donut ist wertvoll und liefert uns neue Erkenntnisse. Versuche, den Donut zu quantifizieren bilden hier keine Ausnahme. Doch sie sind auch mit einer gewissen Vorsicht zu geniessen. Denn der Donut ist kein Modell, das eine zukunftsfähige Gesellschaft in allen Details beschreibt, sondern ähnelt mehr einem Kompass, der eigentlich nichts anderes tut, als die notwendigen Eigenschaften einer zukunftsfähigen Gesellschaft zu beschreiben:
1) eine zukunftsfähige Gesellschaft muss innerhalb der planetaren Grenzen bleiben. Das ist am Ende nicht verhandelbar, denn wenn wir es nicht tun, zerstören wir unseren eigenen Lebensraum.
2) eine zukunftsfähige Gesellschaft sollte zum Ziel haben, mindestens die Grundvoraussetzungen für ein gutes Leben für alle sicherstellen zu können. Auch das ist nicht verhandelbar - neben grundsätzlichen ethischen und moralischen Überlegungen auch deshalb, weil diese Grundvoraussetzungen in der von der UNO 1945 verabschiedeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert sind.
Wenn wir wollen, dass diese beiden Punkte Realität werden, ist ein Leben im Donut, im “safe and just space for humanity” das, was wir anstreben sollten.
- Link zur Studie: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0959652624008953
- Link zur Medienmitteilung des Bundes zur Studie: https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-101770.html