Unser
Kerngruppenmitglied Sam Nüesch hat den Beitrag « Going beyond growth – a key
step in battle against poverty» von Kate Raworth und Olivier de Schutter zusammengefasst und kommentiert.
Am Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen im September 2024 haben die Staats- und Regierungschefs der Welt einen «Pakt
für die Zukunft» verabschiedet.
Die historische Vereinbarung zielt darauf ab, die internationale Zusammenarbeit
zu modernisieren und die internationalen Institutionen dafür zu rüsten, die
heutigen Realitäten zu bewältigen, und die Herausforderungen von morgen angehen
zu können. Der Pakt enthält eine besondere Erklärung zu künftigen Generationen
(«Declaration on Future Generations»).
Auch wenn sich die Verpflichtung, neue Formen der Wohlstandsmessung jenseits
des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu berücksichtigen, tief in der Deklaration des
Pakts für die Zukunft versteckt, sei dies ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung
der Armut, so Raworth (Autorin von Doughnut Economics) und de Schutter (UNO-Sonderberichterstatter
zu extremer Armut und Menschenrechten). Sie betonen die Notwendigkeit, über das
BIP hinauszugehen, um Armut effektiv zu bekämpfen.
Dass das BIP eine unzureichende Messgrösse des Wohlergehens darstellt, ist seit Jahrzehnten bekannt, da u.a. weder ökologische Schäden noch soziale Ungleichheiten berücksichtigt werden. Dass die Regierungen nun aufgefordert sind, neue – und bessere – Indikatoren zu entwickeln, lässt die Autorenschaft bescheiden hoffen. Indikatoren, die das Wohlbefinden von Ökosystemen, Individuen und Gemeinschaften besser widerspiegeln, bringen den dringend notwendigen Paradigmenwechsel weiter.
Die Bescheidenheit der Hoffnung rührt von der Erfahrung, dass solche Deklarationen leider allzu oft in den Stapeln oder Schubladen der Regierungen untergehen. Was diese Aufforderung, über das BIP hinaus zu gehen, dennoch besonders wichtig macht, ist die anstehende Formulierung dessen, was nach den Sustainable Development Goals (SDGs) kommt. Denn diese laufen 2030 aus und enthielten noch die «unsinnige Ablenkung» von Wirtschaftswachstum als Schlüsselfaktor.
Die Autorenschaft schliesst mit einem Zitat des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, António Guterres:
„Wir können keine Zukunft für unsere Enkelkinder mit einem System aufbauen, das für unsere Grosseltern entwickelt wurde“.
Teil dieses alten Systems ist das BIP – also Wirtschaftswachstum – als Indikator für Fortschritt.
Kommentar
Wirtschaftswachstum hält sich hartnäckig in den
öffentlichen und politischen Diskursen. Und dies trotz einer breiten Allianz
sozial und ökologisch engagierter Expertise, welche dies seit Jahren
kritisiert. Daran wird auch dieser «Pakt für die Zukunft» direkt nichts ändern.
Zu tief scheint dieses Mantra in das institutionalisierte Denken unserer
Gesellschaft und die entsprechenden Strukturen und Strategien verankert zu
sein. Als Politiker:in gegen Wirtschaftswachstum einzustehen, dürfte
gegenwärtig noch äusserst nachteilig sein.
Gleichzeitig nehmen wir wahr, dass der Paradigmenwechsel im Gang ist. Langsam
aber stetig sehen wir mehr und mehr Veranstaltungen, Beiträge und Bücher zu
Postwachstum, Degrowth, Suffizienz und weiteren relevanten Themen.
Nicht
zuletzt scheint auch Kate Raworth von der wachstumsagnostischen Position,
welche sie noch in Doughnut Economics 2017 einnahm, hin zu einer
wachstumskritischeren Haltung gelangt zu sein. Klar scheint, dass es
strategisch ungünstig ist, das dominante Narrativ des angeblich notwendigen
Wirtschaftswachstums frontal anzugreifen. Aussichtsreicher sind die Geschichten
des Gelingens von konkreten Alternativen – wie dies die DEAL-Community (und
viele mehr) liefern.
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