UNO-Pakt für die Zukunft: Globaler Konsens zur Messung des Fortschritts «jenseits des BIP» - ein Erfolg im Kampf gegen die Armut

11. April 2025 durch
Swiss Donut Economics Network, Sam Nüesch

Unser Kerngruppenmitglied Sam Nüesch hat den Beitrag « Going beyond growth – a key step in battle against poverty» von Kate Raworth und Olivier de Schutter zusammengefasst und kommentiert.

Am Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen im September 2024 haben die Staats- und Regierungschefs der Welt einen «Pakt für die Zukunft» verabschiedet. Die historische Vereinbarung zielt darauf ab, die internationale Zusammenarbeit zu modernisieren und die internationalen Institutionen dafür zu rüsten, die heutigen Realitäten zu bewältigen, und die Herausforderungen von morgen angehen zu können. Der Pakt enthält eine besondere Erklärung zu künftigen Generationen («Declaration on Future Generations»).

Auch wenn sich die Verpflichtung, neue Formen der Wohlstandsmessung jenseits des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu berücksichtigen, tief in der Deklaration des Pakts für die Zukunft versteckt, sei dies ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung der Armut, so Raworth (Autorin von Doughnut Economics) und de Schutter (UNO-Sonderberichterstatter zu extremer Armut und Menschenrechten). Sie betonen die Notwendigkeit, über das BIP hinauszugehen, um Armut effektiv zu bekämpfen.

Dass das BIP eine unzureichende Messgrösse des Wohlergehens darstellt, ist seit Jahrzehnten bekannt, da u.a. weder ökologische Schäden noch soziale Ungleichheiten berücksichtigt werden. Dass die Regierungen nun aufgefordert sind, neue – und bessere – Indikatoren zu entwickeln, lässt die Autorenschaft bescheiden hoffen. Indikatoren, die das Wohlbefinden von Ökosystemen, Individuen und Gemeinschaften besser widerspiegeln, bringen den dringend notwendigen Paradigmenwechsel weiter.

Die Bescheidenheit der Hoffnung rührt von der Erfahrung, dass solche Deklarationen leider allzu oft in den Stapeln oder Schubladen der Regierungen untergehen. Was diese Aufforderung, über das BIP hinaus zu gehen, dennoch besonders wichtig macht, ist die anstehende Formulierung dessen, was nach den Sustainable Development Goals (SDGs) kommt. Denn diese laufen 2030 aus und enthielten noch die «unsinnige Ablenkung» von Wirtschaftswachstum als Schlüsselfaktor.

Die Autorenschaft schliesst mit einem Zitat des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, António Guterres: 

„Wir können keine Zukunft für unsere Enkelkinder mit einem System aufbauen, das für unsere Grosseltern entwickelt wurde“. 

Teil dieses alten Systems ist das BIP – also Wirtschaftswachstum – als Indikator für Fortschritt.

Kommentar

Wirtschaftswachstum hält sich hartnäckig in den öffentlichen und politischen Diskursen. Und dies trotz einer breiten Allianz sozial und ökologisch engagierter Expertise, welche dies seit Jahren kritisiert. Daran wird auch dieser «Pakt für die Zukunft» direkt nichts ändern. Zu tief scheint dieses Mantra in das institutionalisierte Denken unserer Gesellschaft und die entsprechenden Strukturen und Strategien verankert zu sein. Als Politiker:in gegen Wirtschaftswachstum einzustehen, dürfte gegenwärtig noch äusserst nachteilig sein.
Gleichzeitig nehmen wir wahr, dass der Paradigmenwechsel im Gang ist. Langsam aber stetig sehen wir mehr und mehr Veranstaltungen, Beiträge und Bücher zu Postwachstum, Degrowth, Suffizienz und weiteren relevanten Themen. 
Nicht zuletzt scheint auch Kate Raworth von der wachstumsagnostischen Position, welche sie noch in Doughnut Economics 2017 einnahm, hin zu einer wachstumskritischeren Haltung gelangt zu sein. Klar scheint, dass es strategisch ungünstig ist, das dominante Narrativ des angeblich notwendigen Wirtschaftswachstums frontal anzugreifen. Aussichtsreicher sind die Geschichten des Gelingens von konkreten Alternativen – wie dies die DEAL-Community (und viele mehr) liefern. 

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