«Transformative Innovation in der Schweiz» lautete das Thema
einer spannenden Podiums-Diskussion an der Jahrestagung
der Schweizerischen Akademischen Gesellschaft für Umweltforschung und Ökologie
Saguf.
Unsere Co-Präsidentin Karin Mader durfte dazu beitragen.
Die Mehrzahl der Teilnehmenden war sich einig:
Die Schweiz ist bei technischen Innovationen top, während soziale Innovation
vergleichsweise stiefmütterlich behandelt, und zu wenig gefördert wird. Das
muss sich ändern, damit wir die notwendige Transformation schaffen, fanden die
Anwesenden.
Da kommt das Donut-Konzept gerade recht! Es stellt den ökologischen Grenzen die
sozialen Grundbedürfnisse gegenüber, verknüpft die beiden Bereiche und macht
Wechselwirkungen klar. Erst wenn auch die sozialen Aspekte mitberücksichtigt
sind, kann der «sichere und gerechte Lebensraum für alle » erreicht werden.
Wie bringen wir das Auto aus den Köpfen - und nicht nur
von der Strasse?
Welche sozialen Innovationen braucht es nun? Neben Fragen zu
zielführenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen soll sich die Forschung auch
vermehrt dem Thema widmen, wie notwendige Verhaltensänderungen zu erreichen
sind, findet Karin Mader. Zwei Dimensionen seien dabei besonders zu beachten:
die bewusste (Sach-) Ebene und die unbewusste (emotionelle) Ebene. Sie
erläuterte dies am Beispiel «Auto»:
Rational betrachtet ist das Auto ein Transportmittel, um uns
von A nach B zu bringen. Diese Strecke lässt sich transport-technisch
möglicherweise auch anders zurücklegen: etwa zu Fuss, mit dem Velo oder im Zug.
Die Veränderung ist damit relativ einfach herbeizuführen, indem alternative
Transportmittel verfügbar gemacht werden.
Auf der Gefühlsebene ist das Auto jedoch gleichzeitig ein Zeichen von Wohlstand
und ein Symbol für (individuelle) Freiheit. Dafür Ersatz zu finden, erscheint
ungleich schwieriger.
Verzicht in Gewinn umdeuten: «statt einsam im Auto
gemeinsam im ÖV!»
Ein Student der Verhaltensökonomie erklärte Karin Mader
einst den alternativen Wert seiner Forschungsrichtung. Während Expert:innen
seiner Disziplin häufig in Marketingabteilungen dafür sorgen, Kund:innen zu
immer mehr Konsum zu verführen, kann verhaltensökonomisches Wissen auch
umgekehrt eingesetzt werden, um Menschen richtung Transformation zu steuern.
Wie genau? Narrative spielen eine wichtige Rolle. Dem emotionellen Wert des
Autos lässt sich etwa jener des kollektiven Nutzens von Fahrgemeinschaften und vom
ÖV gegenüberstellen. Dann heisst der Slogan zum Beispiel „gemeinsam statt
einsam“ fahren! Damit lässt sich auch der «Verzicht» (individuelles Auto) in
einen «Gewinn» (zusammen sein) umdeuten.
Verhaltensänderungen können auch durch Vorbilder angeregt
werden. Influencer:innen könnten etwa von Zug- statt von Auto- und Flugreisen
schwärmen, und Menschen auf diese Weise mitnehmen.
Werbeverbot für SUVs auf dem Weg in den Donut
Während Aufklärung – etwa zur gesundheitsschädigenden Feinstaubbelastung durch Pneuabrieb und Bremsscheiben - nur beschränkt Wirkung zu entfalten scheint, spiele Regulierung für Verhaltensänderungen eine zentrale Rolle, ist Karin Mader überzeugt. Soziale Innovationsforschung könne dabei untersuchen, welche Massnahmen am zielführendsten auf Verhaltensänderungen hinwirken, beispielsweise durch die Einschränkung von Werbung für - und die Besteuerung von SUVs, eine Kerosinabgabe und damit Preiserhöhung für den Flugverkehr, oder Subventionen für den öffentlichen Verkehr.
Für die grösstmögliche Wirkung brauche es alle Massnahmen gleichzeitig,
um rechtzeitig in den Korridor zwischen den sozialen Grundbedürfnissen und den
ökologischen Grenzen zu gelangen, betonten mehrere Teilnehmende. Entscheidend dabei sei, dass die Transformation sozial gerecht ausgestaltet wird!
Foto: Saguf, Linkedin