Es braucht mehr soziale Innovation für die Transformation und Verhaltensänderungen

19. Dezember 2024 durch
Es braucht mehr soziale Innovation für die Transformation und Verhaltensänderungen
Swiss Donut Economics Network, Karin Mader

«Transformative Innovation in der Schweiz» lautete das Thema einer spannenden Podiums-Diskussion an der Jahrestagung der Schweizerischen Akademischen Gesellschaft für Umweltforschung und Ökologie Saguf.
Unsere Co-Präsidentin Karin Mader durfte dazu beitragen.

Die Mehrzahl der Teilnehmenden war sich einig: Die Schweiz ist bei technischen Innovationen top, während soziale Innovation vergleichsweise stiefmütterlich behandelt, und zu wenig gefördert wird. Das muss sich ändern, damit wir die notwendige Transformation schaffen, fanden die Anwesenden.
Da kommt das Donut-Konzept gerade recht! Es stellt den ökologischen Grenzen die sozialen Grundbedürfnisse gegenüber, verknüpft die beiden Bereiche und macht Wechselwirkungen klar. Erst wenn auch die sozialen Aspekte mitberücksichtigt sind, kann der «sichere und gerechte Lebensraum für alle » erreicht werden. 

Wie bringen wir das Auto aus den Köpfen - und nicht nur von der Strasse?

Welche sozialen Innovationen braucht es nun? Neben Fragen zu zielführenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen soll sich die Forschung auch vermehrt dem Thema widmen, wie notwendige Verhaltensänderungen zu erreichen sind, findet Karin Mader. Zwei Dimensionen seien dabei besonders zu beachten: die bewusste (Sach-) Ebene und die unbewusste (emotionelle) Ebene. Sie erläuterte dies am Beispiel «Auto»:
Rational betrachtet ist das Auto ein Transportmittel, um uns von A nach B zu bringen. Diese Strecke lässt sich transport-technisch möglicherweise auch anders zurücklegen: etwa zu Fuss, mit dem Velo oder im Zug. Die Veränderung ist damit relativ einfach herbeizuführen, indem alternative Transportmittel verfügbar gemacht werden.

Auf der Gefühlsebene ist das Auto jedoch gleichzeitig ein Zeichen von Wohlstand und ein Symbol für (individuelle) Freiheit. Dafür Ersatz zu finden, erscheint ungleich schwieriger.

Verzicht in Gewinn umdeuten: «statt einsam im Auto gemeinsam im ÖV!»

Ein Student der Verhaltensökonomie erklärte Karin Mader einst den alternativen Wert seiner Forschungsrichtung. Während Expert:innen seiner Disziplin häufig in Marketingabteilungen dafür sorgen, Kund:innen zu immer mehr Konsum zu verführen, kann verhaltensökonomisches Wissen auch umgekehrt eingesetzt werden, um Menschen richtung Transformation zu steuern. Wie genau? Narrative spielen eine wichtige Rolle. Dem emotionellen Wert des Autos lässt sich etwa jener des kollektiven Nutzens von Fahrgemeinschaften und vom ÖV gegenüberstellen. Dann heisst der Slogan zum Beispiel „gemeinsam statt einsam“ fahren! Damit lässt sich auch der «Verzicht» (individuelles Auto) in einen «Gewinn» (zusammen sein) umdeuten.
Verhaltensänderungen können auch durch Vorbilder angeregt werden. Influencer:innen könnten etwa von Zug- statt von Auto- und Flugreisen schwärmen, und Menschen auf diese Weise mitnehmen.


Werbeverbot für SUVs auf dem Weg in den Donut

Während Aufklärung – etwa zur gesundheitsschädigenden Feinstaubbelastung durch Pneuabrieb und Bremsscheiben - nur beschränkt Wirkung zu entfalten scheint, spiele Regulierung für Verhaltensänderungen eine zentrale Rolle, ist Karin Mader überzeugt. Soziale Innovationsforschung könne dabei untersuchen, welche Massnahmen am zielführendsten auf Verhaltensänderungen hinwirken, beispielsweise durch die Einschränkung von Werbung für - und die Besteuerung von SUVs, eine Kerosinabgabe und damit Preiserhöhung für den Flugverkehr, oder Subventionen für den öffentlichen Verkehr. 

Für die grösstmögliche Wirkung brauche es alle Massnahmen gleichzeitig, um rechtzeitig in den Korridor zwischen den sozialen Grundbedürfnissen und den ökologischen Grenzen zu gelangen, betonten mehrere Teilnehmende. Entscheidend dabei sei, dass die Transformation sozial gerecht ausgestaltet wird! 

Foto:  Saguf, Linkedin